Die heutige Reportage ist eine grosse Herzensangelegenheit und geht bis ins 18. Jahrhundert. Im Jahr 1886 wurde National Gestüt Napajedl von Aristide Baltazzi gegründet. Der erste Hengst hier war Zuchthengst Kisbér. Das Gestüt hat sich zum nationalen Begriff etabliert, die hier geborenen Pferde haben grosse Erfolge erzielt. Ich gehöre zu den Glücklichen, die hier die Kindheit verbrachten und später sogar gearbeitet haben, obwohl in sehr jungen Jahren, dafür ist diese Zeit tief im Herzen geblieben. Das Gestüt war soeben mein letzter tschechischer Arbeitgeber, danach bin ich in die Schweiz gefahren. Das ist aber ein anderer Film.Heute fahre ich mit der Kamera Richtung Napajedl. Das Gestüt hat in seiner langen Geschichte viele schwierige Momente durchgemacht. Zur Zeit, resp. seit Februar dieses Jahres beendete die Tätigkeit, der Besitzer hat aus ökonomischen Gründen die Zucht abgeschafft. Gleichzeitig setzt er aber die Idee durch, auf den Weiden in Gestüt die Wohnungen zu bauen. Ich fahre in die Lokalität Moravske, die Sommerstallungen dienten für Stuten mit Fohlen. Hier grasten die Pferde den ganzen Sommer über. Die Stallungen befinden sich in der Nähe vom Fluss Mähren und als im Jahr 1997 die Südmähren von Jahrhundertwasser geplagt war, mussten die Pferde evakuiert werden und die Fische schwammen hier. Im Objekt gleich daneben – Penne-wurden die jährigen Fohlen für die Galopprennbahn vorbereitet. Zu meinen Zeiten war hier sogar der Stall mit Pferden, die direkt das Gestüt auf Rennbahnen in ganzen Tschechischen Republik repräsentierten. Der gesamte Komplex des Gestüts ausserhalb der Gebäude ergänzt die Stallung Kamenec, wo auch die Stuten mit Fohlen weilten. Jetzt ist alles verlassen und still. Ich fahre Richtung Stadt Napajedl, in Hauptkomplex. Ich stehe vor dem Tor, ist geschlossen. Nur paar Blumen in Blumentöpfen erinnert an unvergessliche Atmosphäre vor nicht langer Zeit. Es ist still. Ich will in die Stadt gehen, aber das Schicksal will es anders. Unterwegs treffe ich den ehemaligen Angestellten-Herrn Josef Zlatnik. Klar hat er mich erst nicht erkannt, aber es reicht, den Namen zu nennen und sofort ist alles wieder im Lot. Er lädt mich zu sich nach Hause, die Ehefrau bietet Tee an, für mich ist es eine Ehre, er wohnt in der Wohnung direkt im Gestüt. Am Tisch plaudern wir über alten guten Zeiten. Herr Zlatnik ist das Gesicht des Monats April in der Zeitung „Pferde&Menschen“ geworden. In seiner langen Karriere über drei Dekaden half er über Tausende Fohlen zur Welt zu kommen. Hier in Napajedl ist er lebende Legende. Und das Beste: Auf dem Foto hinten, die zweite Person, die hilft, ist meine Mutter. Ich muss echt schmunzeln.
Guter Laune laufen wir ohne Kamera zum Friedhof von Zuchthengsten, die hier die Stuten deckten und die Zucht im Land berühmt machten. Noch bevor öffne ich aber die Tür von Boxen, wo die Hengste gestanden haben. Ich spüre sofort die mir so bekannte Duftnote vom lackierten Holz. Das kann man nicht vergessen. Auf dem Friedhof beugen wir uns über die Denksteine mit Namen, die ich so vertraut kenne. Manche Grabsteine gehen bis in 40. Jahre vergangenen Jahrhunderts. Die Gedenksteine wühlen wieder lebhafte Diskussion auf. Im Besten klingelt das Telefon. Die Kamera im Eingang filmte uns, die Bürofrau des Besitzers mahnt Herrn Zlatnik und ist fertig mit dem Besuch. Mein zynisches Ich versteht es nicht, nur die Hühner scheissen hier und die scheissen hier sicher nicht unseretwegen. Macht nichts, wir sind nicht willkommen. Mit Herrn Zlatnik unternehmen wir unseren Ausflug-wir besuchen den Friedhof und die ehemaligen Kollegen, die schon jenseits gegangen sind. Als Belohnung gönnen wir uns Apéro auf der Terrasse des Restaurants. Der Ausflug könnte fertig sein. Aber nicht für mich. Mein zynisches Ich flüstert leise-wir machen es ohnehin, wie wir wollen. Ja, genau, wir machen es, wie wir wollen. Ich lasse unter anderem die Drohne wegfliegen und es entsteht Serie von wunderbaren Bildern aus Vogelperspektive.